Kalorische Restriktion ist die Bezeichnung für eine Ernährungsmaßnahme mit der man seine tägliche Kalorienaufnahme um mindestens 30 bis maximal 50 Prozent reduziert.
Dies gelingt durch den Verzicht auf einen Teil der üblicherweise zugeführten Nahrungsmenge oder aber, und das ist meine persönliche Strategie, durch die gezielte Auswahl kalorienarmer Lebensmittel. Wir müssen also nicht unbedingt weniger essen, sondern nur weniger Kalorien zuführen. Das schaffen wir, in dem wir uns überwiegend von Gemüse, frischen Salaten, Obst, magerem Fleisch und mageren Fischen ernähren.
In den angelsächsischen Ländern wird der Begriff „caloric restriction (CR)“ für die Kalorienrestriktion verwendet.
Eine Unterernährung oder Mangelversorgung mit wichtigen Nährstoffen muss dabei stets ausgeschlossen werden!
Geschichtliches
Der Venezianer Luigi Cornaro (1467–1565) gilt als Gründervater der Kalorienrestriktion. Im zarten Alter von 83 Jahren verfasste er seinen autobiografischen Traktat „Discorsi della vita sobria“ was übersetzt so viel wie „Vom mäßigen Leben“ bedeutet. In diesem schrieb er sein hohes Lebensalter und seine Gesundheit der strengen Diät zu, die er ein Leben lang befolgte. Cornaro aß gerade nur so viel, wie zum Überleben notwendig. Ausserdem wählte er seine Nahrung auch stets nach gesundheitlichen Aspekten aus.
Der Mechanismus
Die Ursachen dafür, warum man das Leben durch kalorische Restriktion verlängern kann, sind noch nicht geklärt. Es gibt Hinweise, dass der oxidative Stress durch die verminderte Nahrungsaufnahme reduziert wird und sich dadurch das primäre Altern verzögert. Unter der primären Alterung versteht man den Alterungsprozess von Zellen und Organen, bei Abwesenheit von Krankheiten. Diese definiert die maximale Lebensspanne und ist als unvermeidliche Alterung anzusehen.
Das sekundäre Altern ist vermeidbar und wird durch äußere Faktoren wie Erkrankungen, Umweltfaktoren, den Lebensstil und körperliche Aktivität bestimmt.
Durch CR, und das zeigen bereits viele Studien, sollen eine höhere Lebenserwartung, eine verzögerte Alterung und andere gesundheitsfördernde Wirkungen erzielt werden.
Wider den Erwartungen, versetzt diese durchaus empfehlenswerte Maßnahme unseren Körper in eine Art „Stresszustand“. Dabei handelt es sich, und das ist das Entscheidende, nur um einen leichten, physiologischen Stress. In diesem Zustand leistet der Körper automatisch einen gewissen Mehraufwand, um sich bei optimaler Gesundheit zu halten.
Einer anderen Theorie zufolge wird durch die langfristig reduzierte Nahrungsaufnahme der Stoffwechsel neu „programmiert“. Bei Mäusen konnte unter kalorischer Restriktion diesbezüglich eine veränderte Genexpression festgestellt werden. Dabei werden einerseits Gene, die in den Energiestoffwechsel involviert sind, überexprimiert, während anderereits über 50 entzündungsfördernde Gene herunterreguliert werden.
Das Studium zellulärer Alterungsvorgänge liefert für die Gestaltung eines optimalen Ernährungsverhaltens wichtige Rückschlüsse.
Je langsamer der Stoffwechsel abläuft, desto mehr werden wir geschont. Weniger Zellteilungen bedeuten eine geringere Ausreizung der Telomer-Reserve und weniger schädliche Oxidationsprozesse.
Unzählige Experimente mit Modell-Organismen wie Nagetieren, Fadenwürmern oder Fruchtfliegen haben gezeigt, dass die Einschränkung der täglichen Energiemenge (kcal) die Lebensdauer bis zu 100% erhöhen, also verdoppeln kann!
Auswirkungen der Kalorienrestriktion auf die Überlebensrate von Labormäusen
Der lebensverlängernde Effekt der Kalorienrestriktion wurde erstmals 1934 von den US-amerikanischen Wissenschaftlern Clive Maine McCay und Mary F. Crowell von der Cornell University beschrieben. Die beiden stellten bei ihren Versuchen mit Ratten fest, dass die dauerhafte Reduzierung der Nahrungsenergiemenge – unter Sicherstellung einer adäquaten Ernährung – die Lebenserwartung der Tiere signifikant erhöht. Ein Teil der Versuchstiere bekam dabei 33 Prozent weniger Nahrung als die Vergleichsgruppe, die ad libitum ernährt wurde. Diese Maßnahme führte bei der erstgenannten Gruppe zu einer Erhöhung der Lebensdauer um knapp 50 Prozent.
Ähnliche Versuche wurden seither mit den unterschiedlichsten Spezies und anderen Versuchsbedingungen durchgeführt, wobei bei sehr vielen Spezies nicht nur die mittlere, sondern auch die maximale Lebensdauer erhöht werden konnte. Auch die Häufigkeit altersassoziierter Erkrankungen sinkt durch die Kalorienrestriktion entsprechend.
Durch CR werden spezielle Langlebigkeits-Enzyme, die Sirtuine, gebildet. Die gesteigerte Expression der Sirtuine SIRT1 und SIRT3 dienen dem Schutz der Mitochondrien. In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass Mäuse die über diese Sirtuine nicht verfügen schneller altern.
Der Zeitpunkt an dem mit CR begonnen wird, scheint ebenso von Bedeutung zu sein. So zeigte sich, dass alte Lebewesen nur mehr begrenzt von einem Verzicht auf eine bestimmte Energiemenge profitieren, ja dadurch vielleicht sogar einen Schaden nehmen.
Das berühmte Science Journal veröffentlichte im Jahr 2009 eine über 20 Jahre andauernde Studie bei der gezeigt werden konnte, dass eine Kalorienrestriktion (CR) – ohne sich dabei unterzuernähren – das Altern verlangsamt und die Lebensdauer verlängert. Dabei wurden Rhesus-Makkaken-Affen des Wisconsin National Primate Research Center untersucht. 50% der Affen die sich normal ernährt hatten, waren nach 20 Jahren verstorben. In der CR-Gruppe haben 80% überlebt. Die Kalorienrestriktion führte bei den Affen zusätzlich zu einer Verminderung altersbezogener Erkrankungen wie Diabetes, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Auch die altersbedingte Abnahme der Gehirnmasse konnte in der Studie durch Kalorienrestriktion vermindert werden.
Diese Studie verdeutlicht erneut, dass CR Altersvorgänge bei Tieren verlangsamen kann.
Wirkung beim Menschen
Wissenschaftlichen Beweise dafür, ob Menschen die sich dauerhaft einer Kalorienrestriktion unterziehen im Vergleich zu schlanken Erwachsenen, die einem gewöhnlichen Ernährungsverhalten nachgehen, ein längeres Leben erwarten dürfen, fehlen.
Unbestritten bleibt jedoch, dass Übergewicht und Fettleibigkeit zu einer Verkürzung der mittleren und maximalen Lebenserwartung führen. Die bei den Versuchstieren zu beobachtenden hormonellen und metabolischen Effekte der Kalorienrestriktion, wie niedrigere Körpertemperatur, reduzierte Stoffwechselrate und geringere oxidative Stressbelastung, konnten auch am Menschen nachgewiesen werden.
Gesichert ist auch die Erkenntnis, dass eine langfristige Kalorienrestriktion eine wirksame Maßnahme darstellt, um Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck und Artherosklerose vorzubeugen. Diese Erkrankungen stellen die Hauptursachen für Morbidität, Behinderungen und Mortalität beim Menschen dar.
NF-E2-related factor 2 (Nrf2) ist ein Abwehrmechanismus des Körpers, der zu einer vermehrten Produktion von Antioxidantien führt. Die Aktivität dieses Faktors lässt mit dem Alter nach. Kommt es zu einer Störung von Nrf2, so kann diese mit einer vermehrten Belastung durch freie Radikale (ROS) und einer verminderten Immunlage verbunden sein. Durch die Reduktion der Tageskalorien kann der Transkriptionsfaktor Nrf2 aktiviert werden und auf diesem Weg zum Erhalt der Gesundheit beitragen.
Auch wenn das bis heute noch nicht vollends bewiesen werden konnte, so gibt es jedoch keinen Grund, warum dieser Mechanismus nicht auch beim Menschen funktionieren sollte. Konsequente Vertreter der „kalorischen Restriktion“ hoffen daher für ihre Disziplin mit einem langen, gesunden Leben belohnt zu werden.
Es steht ausser Frage, dass wir alle viel zu viel essen. Das ist auch einer der Hauptgründe, weswegen wir Menschen immer dicker werden.
Wem die Philosophie der Kalorienreduktion zusagt, muss keinesfalls auf bestimmte Tagesmahlzeiten verzichten! Es darf und soll bis zu drei Mal täglich gegessen werden. Ab und an auf die Abendmahlzeit zu verzichten, würde uns allen sicher gut tun, stellt aber keinesfalls eine Voraussetzung für ein optimales Ernährungsverhalten dar.
Es gilt somit lediglich darauf zu achten, dass wir die Speisen, die sehr viele Kalorien beinhalten nur sehr selten essen und unseren Magen mit Lebensmitteln füllen, die wenig Energie dafür aber viele Ballaststoffe liefern. So werden wir satt und sparen gleichzeitig Kalorien ein. Auf diese Art und Weise gelingt Kalorienrestrikation auch ein Leben lang.
Durch den passageren Verzicht auf Nahrung werden unsere Zellen in einen besonders intelligenten Ruhestand versetzt. Aus diesem Grund sollten wir Zwischenmahlzeiten meiden und das Abendessen so früh wie möglich ansetzen. Der damit verbundene geringere Energieverbrauch löst Reparaturmaßnahmen in unserem Körper aus.
Risiken der Kalorienrestriktion beim Menschen
In den USA gilt dieser spezielle Lebensstil als vielversprechende Maßnahme für ein langes Leben. Aus diesem Anlass heraus hat sich ein Teil der Anhänger zur „Calorie Restriction Society“ zusammengeschlossen. Vor der Entstehung von möglichen Essstörungen im Rahmen der Kalorienrestriktion wird immer wieder gewarnt.
Untersuchungen belegen jedoch, dass Kalorienrestriktion nicht zum vermehrten Auftreten von Anorexie oder Bulimie führt. Die psychologischen Effekte der Kalorienrestriktion wurden in Studien als positiv bewertet.
Warum gar nichts essen oder Trinkkuren nicht zielführend sind
Immer wieder versuchen Abnehmwillige durch radikale Maßnahmen möglichst schnell Gewicht zu verlieren. Gar nichts essen, Saftkuren oder Kohlsuppen-Diäten zählen dabei zu den häufigsten Strategien. Der Grund für diese durchaus brutale Vorgehensweise liegt in den meisten Fällen in der zunehmenden Frustration. Viele Menschen essen sich über die Jahre dick und fühlen sich deswegen immer unwohler. Irgendwann gelangen sie an einen Punkt, an dem es für sie so nicht weitergehen kann. Instinktiv schlagen die Betroffenen dann die Gegenrichtung ein und wollen ihr Leben über Nacht um 180 Grad ändern. Statt wie bisher viel zu essen, wird nun gar nichts mehr gegessen. Es wird höchstens noch getrunken oder Suppe gegessen. Die Beweggründe dafür werden von den Übergewichtigen immer gleich angegeben: „Es muss sich jetzt sofort etwas ändern! Ich brauche einen schnellen Erfolg, sonst sehe ich keinen Ausweg mehr!“ Diese Aussagen sprechen für pure Verzeiflung. Obwohl ich Verständnis für deren Leid aufbringen kann, sind diese Maßnahmen weder empfehlenswert noch nachhaltig und wahrscheinlich nicht mal zielführend.
Denn hier kommen erneut unsere Hormone ins Spiel. Der Körper arbeitet nämlich extrem ökonomisch und weiß mit der ihm zur Verfügung gestellten Energie sehr gut hauszuhalten. Nicht selten trifft man als Ernährungsmediziner auf Menschen, die seit vielen Jahren Diäten machen und irgendwann nicht mehr weiter abnehmen. Trotz regen Bemühens bleibt deren Gewicht stabil. In solchen Fällen hat der Körper über die Jahre gelernt mit sehr wenig Energie auszukommen. Um sich aus dieser Lage zu befreien bedarf es eines langen Atems und ganz spezieller Maßnahmen. Unter anderem ist es wichtig, dass man die Diät phasenweise unterbricht, um dem Körper zu signalisieren, dass genug Energie bereitgestellt wird. Strenge Abnehmperioden, die über Jahre beibehalten werden, erweisen sich somit oft als kontraproduktiv. Wer stark übergewichtig ist und viele Kilos verlieren muss, sollte sich deswegen einen ausgeklügelten Marschplan zurechtlegen oder für professionelle Unterstützung sorgen.
Verzichten Menschen im Rahmen von Fastenkuren nun zur Gänze auf das Essen, reagiert die Schilddrüse darauf. Es kommt zu einer reduzierten Umwandlung vom inaktiven Hormon T4 zum aktiven T3.
T3 spielt eine wichtige Rolle beim Umbau von Fettgewebe, Proteinen und der Glukose während des Fastens. Die verminderte T3-Produktion ist eine Reaktion des Körpers, um Energie einzusparen und sich vor dem Verlust von Körpersubstanz zu schützen. Diese, für Hungersnöte sehr sinnvolle und früher lebenserhaltende Maßnahme, setzt bereits nach gut 12 Stunden Nahrungskarenz ein.
Für die Praxis bedeutet dass einen erniedrigten Energiegrundbedarf, weswegen wir noch weniger essen sollten, einfach weil wir weniger benötigen. Um weiterhin erfolgreich Gewicht zu verlieren, müssten wir die zugeführte Energiemenge immer knapper bemessen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll und wichtig, dass man regelmäßig isst und die Kalorienmenge in einem vernünftigen, zielführenden Ausmaß reduziert. Wer erfolgreich und nachhaltig abnehmen will, sollte ein wenig Geduld aufbringen. Das Übergewicht ist ja schliesslich auch nicht über Nacht entstanden.
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